Die Dresdner Scharfrichter und Abdecker

In Vorzeiten in ehrbarer Stellung, wandelte sich das Bild des Mannes, welcher durch die Gerichte Urteile an Leib und Leben zu vollstrecken hatte nicht nur im Rahmen veränderter  Strafverfahren, auch tat wohl die Ausweitung der Inquisition 1484 durch Papst Innozenz VIII. sein übriges, den Scharfrichter als vormaligen Ratsbeamten - der mit dieser Aufgabe betraut wurde - anzufeinden bzw. zu meiden. Um so mehr taten sich Scharfrichtersippen zusammen, deren Söhne und Töchter untereinander weitverzweigt verheiratet, war man verpönt und gemieden. Wie in ganz Sachsen erging es so auch dem Dresdner Scharfrichter. Sein schlechter Ruf als Züchtiger, Nachrichter, als Henker, oder Themmer - wie lokal in Dresden kurzzeitig genannt - eilte ihm immer weit voraus.

War dieser aber gewissenlos und blutrünstig? Nein, auch war seine Berufung weder mystisch noch romantisch angehaucht. Seine Arbeit war hart, hatte er doch zum Lebensunterhalt hauptsächlich andere Aufgaben zu verrichten.

 

Dresdner Urkunden betrauen spätestens seit Ende des 14. Jh. einen Scharfrichter mit seinen Aufgaben. Dies beweisen Reparaturarbeiten am Haus des Henkers 1407 und 1409 im Loche. Als solcher ausgewiesen ist er erstmals jedoch 1402: dem czuchtiger von unser vrawen tage assumpcionis .. 1 sex. gr. 6 gr. et 8 gr. von eyme, den er hing. Die Hinrichtungen der folgenden Jahre liegen noch außerhalb unserer Vorstellungskraft. So liest man neben dem hängen von lebendig Begrabenen, von brennenden Scheiterhaufen ebenso von Verstümmelungsstrafen wie dem Blenden (Augen ausstechen) oder dem Brandmal auf die Stirn oder die Wangen. Gleichwohl verrichtete Dresdens erster namentlich bekannter Henker, Meister Paul, diese ihm anvertraute Tätigkeit mit Akribie. Erstmals hören wir von ihm in einer Urkunde aus dem Jahre 1409, wo er gleich vier Personen das über sie verhängte Strafmaß vollstrecken musste. Bis um 1428 stand er so in den Diensten des Landesherrn. 

 

Sein Nachfolger, Meister Franz, ist nur kurz in Dresden angestellt gewesen. Lediglich eine Notiz als "Wächter" des Frauenhauses und dem Erhalt des diesbezüglichen Zinses künden von seiner Tätigkeit. 

Schon 1431 erfahren wir aus den Abrechnungen der Stadt von Peter Holremscher. Wie seine Vorgänger und nachfolgende seines Standes war auch er nicht nur für die Stadt selber sondern gleichzeitig für die umliegenden Dörfer angestellt gewesen. Doch Holremscher blieb nur kurz in Dresden. Erfahren wir anno 1431: Petir Holremcher 30 gr. vor zcwey uf dem prenger uud eynen zcur stupen geslagin und dem henger 15 gr., das her eynen dort hinden gehauwen hat, so ist bereits ein Jahr später Meister Caspar mit diesen Aufgaben betraut. Dessen Tätigkeitsfeld ist bis 1434 in einer Mehrzahl von Abrechnungen belegt, angefangen von der Beseitigung verdorbenen Fisches, der Tätigkeit als Hundeschläger, bis zur Vollstreckung von Urteilen an Leib und Seele. Wohl eine Verurteilung wegen Meineid, Verräterei oder Diebstahl lies ihn 1432 zwei Personen zukommen - der eine wurde geblendet, der andere gehangen. Sein Lohn hierfür betrug 30 gr. Für eine Enthauptung 1433 wurde er mit 15 gr. entlohnt, 2 gr. erhielt er für die Staupe an einem armen Sünder. Eine in Unglauben verfallene Frau musste durch seine Hand auf dem Scheiterhaufen brennen, wofür er gleichfalls 30 gr. bekam.

Hiernach verlieren sich die Spuren des Henkers etwas. Wohl waren bis dahin weitere Scharfrichter in Dresden ansässig, doch erst 1452 erfahren wir: 12 gr. gelegen deme Meister uff das swert. Wie aus anderen Quellen ersichtlich, wurden dem Henker häufig die Utensilien seiner Arbeit von der Stadt zur Verfügung gestellt. Egal, ob Stricke, Holz, Eisen etc., in diesem Fall scheint man diesem gar ein eigenes Schwert zur Verfügung gestellt zu haben.

 

Wieder namentlich bekannt ist aus den Zinsregistern der Stadt Friedrich der Schinder, der hier 1494 aufgeführt, 4 gr. von hawß und garten (im Loche?) an die Stadtkasse zu zahlen hatte. Im gleichen Jahr ist erstmals auch die Rede von der Schinderei an der Elbe. Wenige Jahre später wird dieser selber wohl in die Fänge des Aberglaubens um die in Sachsen grassierende Viehseuche geraten sein und einer der verfolgten Abdecker, welche man hierfür zur Verantwortung gezogen hatte, denn Friedrich der Schinder taucht in keinen weiteren Unterlagen auf. Ein Nachfolger war jedoch schnell gefunden, denn erstmals finden sich detaillierte Angaben zum Aufgabenbereich des Abdeckers und Scharfrichters:

Des auffdeckers dinst vorzceichent anno 1501. Sal dem rate gehorsam sein, sich noch inn halten und richten. Dye sollen inn auffzunemen und zu entsetzen haben. Alle wochen zcwene tage in der stat in allen gassen umbgehenn, die reine haltenn. Item von schachten zu reinigen von einem vasse, die er sall fullen, 4 gr. Von mastweyn zu smeltzen 4 gr. Von pferden, kwnen zu endecken 4 gr. Item er sal das oeß nicht oben in die Elbe schutten und sal hinder Aldendresden entdecken und sein haus und garten mit fligkwergk halten und dem Heiligen Creutz vorzcinsen.

 

Genannter Scharfrichter war ebenso nur wenige Jahre in Diensten der Stadt, denn schon 1511 übergibt er dem Rat sein Schwert. Ob er hiernach, wie der nachfolgende, Georg Tambach, in der Kreuzkirche öffentlich Buße getan und hiernach heilige Stätten besucht hat, ist nicht mehr nachvollziehbar. Tambach zumindest schied schon wieder 1515 aus den ihm auferlegten Verpflichtungen. Und wieder tut sich eine Lücke in der namentlichen Nennung des Scharfrichters auf. Zwar erfahren wir aus den Abrechnungen aus seinem Tätigkeitsfeld - auch Hinrichtungen in dieser Zeit sind verzeichnet -, doch erst um 1542 (nach Umzug vor das Wilsdruffer Tor) betritt ein in späterer Zeit wohl bekanntes Scharfrichtergeschlecht mit Caspar Peltz die Bühne der Stadt. 

Obwohl dessen Herkunft unsicher ist, führt eine Verbindung der Peltz'- bzw. Poltz'schen Familie nach Solingen. Solingen - im Mittelalter schon über die Grenzen weit bekannt wegen seiner Messer- und Schwertschmiedekunst - nennt 1430 "O. Pols" in den Reihen der Schmiede. Ob Caspar Peltz gleichfalls Delinquenten auf ihren letzten Weg begleiten musste, wissen wir nicht. 

 

Eine Besonderheit Dresdens und nur in einem kleinen zeitlichen Rahmen bezüglich der Scharfrichterbenennung ist die Bezeichnung des Henkers als Themmerer = Schläger. Zwischen 1455 und 1494 lesen wir so in verschiedenen Abrechnungen von diesem bei der Vernichtung von verdorbenem Fisch, dem Erhalt des Frauenhaus-Zinses und gleichzeitig seinem Wohnort im Loche neben des Büttels Hause bzw. dem Frauenhaus. Zudem veranlasste der Landesherr, den Wilddieben in der Dresdner Heide Einhalt zu gebieten, wobei auch der henger bei der Suche hiernach in Anspruch genommen wurde (1469).Eine Abrechnung belegt zumindest, dass er eine der Dresdner Kornkammern seiner Zeit mit Mäusefallen bestückt und hierfür 5 1/2 gr. erhalten hat. Caspar starb vor 1548. Dies beweist eine Erweiterung zur Bestallung von 1501, wonach seinem Sohn (?) Kunz Peltz 1548 erlaubt wird, die Beerdigung von Selbstmördern anstelle des Totengräbers vorzunehmen. Zum Entgeld von 1 gr. erhielt er außerdem die Kleider des Toten. Auch musste er zum Hinausfahren des leblosen Körpers seine eigenen Pferde benutzen. Zudem war festgelegt worden, dass er alle Montage, Mittwochen und Freitage einen Knecht oder Jungen durch alle Gassen gehen lasse, und was der allda von todten Hunden, Katzen, Hühnern, Vögeln, Mäusen und anderm fände, das er dasselbe in einen Sack sammle und in die Elbe oder auf den Schindeplatz trage.

Dank eines Hinweises von Wolf-Dietrich Golz wird eine verwandtschaftliche Nähe der Pelz'schen zu den Bolz-/Boltz-/Poltz'schen Nachfolgern in der Dresdner Scharfrichter- bzw. Abdeckerabfolge immer wahrscheinlicher. 1568 bewirbt sich Mathes Boltz, "Der Junge Scharffrichter Zu Dreßden" um die anzunehmend vakant gewordene Altenburger Stelle. Inwieweit diese ihm anvertraut wurde, ist bislang nicht erkenntlich.

In Dresden selber erfahren wir um 1588 von der Tätigkeit eines Conrad Poltz. Politisch brisant (und an dieser Stelle besonders erwähnt sei, weil durch seine Hand vollzogen) ist auch heute noch in aller Munde die Hinrichtung des Kanzlers Nikolaus Krell am 09. Oktober 1601 auf dem Jüdenhof. Conrad Poltz starb in jungen Jahren. Seine Gemahlin, eine Tochter des Helmstedter Scharfrichters verehelichte sich zwei Jahre nach dem Tode Conrads 1608 mit dem späteren Leipziger Scharfrichter Valentin Heyland. In Dresden übernahm wohl Conrads Verwandter Christoph Poltz die Geschäfte. Kenntnis von ihm erhalten wir aufgrund eines Stadtbrandes im Falkenhof, am 02. April 1614. Als eine Art Entschädigung für die Verlegung seiner Wohnstatt nach weiter außerhalb der Stadt kann man guten Gewissens seine Churfürstlichen Begnadung vom 21.11.1615 (Abdeckereigeschäfte im Einzugsbereich Amt und Stadt Pirna, Königstein und Gottleuba) betrachten. Hier setzte Christoph Poltz Knechte ein. Aus seiner Ehe gingen bislang bekannt vier Kinder hervor, wobei sein einziger Sohn Israel Gottfried Poltz zuerst als Scharfrichter in Weißenfels tätig war, ab 1653 als Besitzer der Delitzscher Henkerei sein Brot verdiente. Christophs Tochter Blandina heiratete den Sohn seines Vorgängers Conrad, Joachim Friedrich Poltz, geboren Juni 1605 in Dresden und späterer Scharfrichter in Döbeln.

1622, bei der Verpflichtung eines neuen Henkers wurde diesem das Ausschenken von Bier ausdrücklich untersagt, woraus zu folgern, dass sein Vorgänger vielleicht dieses Mittel zur Hebung seines Standes, um sich populärer zu machen, versucht hat. Anzunehmen ist nach dieser Aussage gleichfalls, dass für Dresden ein weiterer bislang nicht namentlich bekannter Scharfrichter tätig war. Denn erst wieder vier Jahre später erfahren wir ... von mehreren Bewerbern für die Anstellung als Scharfrichter in Dresden, so Opitz von Eilenburg und Hans Stengel aus Halle/Saale. Den Zuschlag erhielt jedoch der im Amt Freiberg, Tharandt und Nossen bislang tätige Franz Heyl, vermählt seit 1612 mit Susanne, Tochter des vormaligen Dresdner Scharfrichters Conrad Poltz. Franz Heyl, gleichzeitig für Leipzig, Pegau, Delitzsch, Freiberg und Weißenfels verantwortlich, wird in Dresden selber nur sporadisch seinen Wohnsitz besucht haben.

Nur durch Verpachtung konnte er die Geschäfte allerorten gleichzeitig zur vollsten Zufriedenheit des Landesherrn ausführen. Aus seiner Zeit vor 1625 liegen noch die kurfürstlichen Freiheiten für das Amt Freiberg vor, worin es 1597, 1605 und 1612 heißt: Heyl [solle] in seiner Hantierung, Gerechtigkeit und Freiheit, soweit sich sein Revier erstreckte geschützt werden. Außerdem solle man ihm keineswegs gestatten, daß ihm von fremden Abdeckern sowohl derer von Adel und anderer, Schäfern, Dorfschustern, oder Gerbern mit Abdecken und Aufkaufung des toten oder schadhaften Viehes außerhalb ... einiger Eingriff oder Schmälerung geschähe ...'
Wann und wo Franz Heyl starb, wissen wir nicht. Allerdings gingen aus der Ehe mit Susanne zwei Söhne hervor, Hans Ernst und Franz. Ältester wird wohl Hans Ernst Heyl gewesen sein. Er übernahm um 1640 die gut gehenden Geschäfte seines Vaters in Dresden. Ein Tete-a-tete mit des Wachtmeisters Frau brachte ihn wenige Jahre später (1644) jedoch nicht nur ins Gefängnis, der Ruf seiner Familie in Dresden war geschädigt, die Familiendynastie der Heyls in Dresden beendet.

Des Rats Entscheidung nach einem Nachfolger für Hans Ernst Heyl fiel auf Johann Melchior Wahl, einen bis dahin in Wasungen, Weimar und Erfurt tätig gewesenen Scharfrichter. Auch dieser war nur wenige Jahre hier ansässig, denn in seiner Todesanzeige heißt es: Es starb [...] zu Dresden 1647 den 22. Febr. in seinem 41 Jahre Melchior Wahl, Scharf- und Nachrichter. Er hieß von Dreißigacker und soll diesen Ehrennahmen von einem Decollirten, der noch 30 Meter gelaufen, erhalten haben.

 

Hans Melchior war zweimal verheiratet, in erster Ehe 1622 mit Christiana (+ Wasungen 1632), Tochter des Eisenacher Scharfrichters Hans Fahner, in zweiter Ehe um 1640 mit Margarethe, Tochter des Freiberger Feldmeisters Daniel Tittmann. Aus beiden Ehen gingen bisher bekannt insgesamt 10 Kinder hervor, wovon drei das Wahl'sche Familienerbe fortführten. Außergewöhnlich ist, weil dies den selbstbewussten Umgang mit seinem Stande widerspiegelt, sein Familienwappen: eine Justitia mit verbunden Augen und hoch erhobenem Schwert in blauem Felde, darüber ein geschlossener Helm - aufgestellt gewesen auf dem ältesten Annenkirchhof.

Ob auch sein Nachfolger, Johann Glöckner, in diese Familienpolitik einbezogen war, wissen wir nicht. Wie in diesen Reihen üblich, wird er als anfänglicher Scharfrichterknecht dieses Amt für den noch minderjährigen Sohn Johann Melchiors, Johann Benedikt Wahl, 1647 übernommen haben. Anzunehmen ist, dass Johann Glöckner verwandt ist mit Hans Glöckner, um 1634 Scharfrichter in Schweidnitz, um 1646 dergleichen in Torgau. Weitere Spuren zur Glöckner-Familie verlieren sich im Dunkel der Geschichte. 

 

Auch wissen wir nur ungefähr, wann Johann Glöckner verstarb, denn mit Johann Benedikt Wahl tritt 1662 wieder die Wahl'sche Familie ins Rampenlicht der Abdeckerei / Scharfrichterei Dresdens. Auch hier beweist sich wieder einmal die enge familiäre(?)/berufliche Verwandtschaft: Er ist Taufpate des Johann David Zipser (* 01.06.1686), Sohn von Friedrich Zipser, Scharfrichter in Dippoldiswalde. Weitere Kenntnis erhalten wir von ihm bei einer Auseinandersetzung mit dem Amtmann zu Dresden bezüglich seiner Gerechtigkeiten im Falle eines Selbstmörders und dessen Bestattung (und aller damit verbundenen Verrichtungen) nur durch den Scharfrichter im Jahre 1691/92. Am Ende seines Lebens heißt es in einer alten Dresdner Zeitung: Dem aber im Jahr 1662 des [... Wahl] Sohn, Meister Johannes Benedictus Wahl von Dreysigacker, geb. d. 12. Oct. 1637 adjungiret worden, welcher auch nach dessen Tode sussessionem acquriret und deßwegen zu notiren, daß er bis an seinen Tod, den 5. May 1709 und also 47 Jahr solches in Rechten confirmirte und priviligirte Amt verwaltet, auch bey seinem Leben mit einer 35 Jahr im Ehestande gelebten Frau 23 Kinder erzeuget, und von solchen 9 Kindes-Kinder gesehen. Er hat sein Alter gebracht auf 70 Jahr, 7 Monath, 3 Wochen und 3 Tage, und ist mit einem ansehnlichen Conduct beerdigt, auch ihme eine Predigt über Ps. 73 v. 2.3. gehalten worden.

Politisch wie auch in der Handhabung des Rechts brisant, erfahren wir Februar 1695 vom Tode des Dresdner Scharfrichter Melchior Vogel nach durchgestandener Folter. Der Grund hierbei lag in der Lieferung von Ingredenzien zur Herstellung eines "Liebestrankes", bestehend aus Fasern vom Strick eines Gehenkten, Blut eines Enthaupteten, Fledermausfett und Alraunwurzeln für die zu jener Zeit im Gedächtnis der Dresdner gebliebene Mätresse Kurfürst Johann Georgs IV., Sibylle von Neitschütz (17jährig; beide starben 1694 kurz hintereinander an den Blattern). Ein durch den Bruder und Nachfolger Johann Georgs IV., Friedrich August II. Kurfürst von Sachsen (August "der Starke"), angestrengter Prozeß wegen Hexerei brachte die Helfershelfer dieser "Aktion", "Margarete aus dem Spreewald",  eine gewisse "Traummarie" und die Mutter der Sibylle von Neitschütz ebenfalls auf die Folterbank. Nur letztere überlebte diese Tortur. Sie starb nach eineinhalb Jahren Haft 1713 auf Ihrem Gut bei Bautzen.

Nachfolger der Dresdner Scharfrichterstelle, Johann Christian Pötzsch, war wiederum durch familiäre Verbindungen in den Genuss der Dresdner Henkerei gekommen. Dieser, seit 1682 verheiratet mit einer Tochter Johann Benedikt Wahls, ist sehr wahrscheinlich mit dem in Hohnstein tätigen Feldmeister Johann Georg Pietzsch zusammenzubringen. Nähere Hinweise hierzu blieben mir bislang verwehrt.

 

Und wieder betritt ein Pol(t)z die Scharfrichter-Bühne Dresdens. Über mehrere Generationen im Umland von Leipzig tätig, berichten die Quellen von einem Andreas Polz, dessen Herkunft momentan zwar gleichfalls noch nicht sicher ist, eine Verbindung nach Delitzsch aber nicht ausgeschlossen werden kann. Nicht nur das in seine Zeit u.a. der Umbau Dresdens zu einer der schönsten Barockstädte fällt, die Aufmerksamkeit des Landesherrn gilt ebenso der innerstädtischer Reinhaltung der Gassen und Plätze. In Anlehnung der Scharfrichterverordnungen von 1501 und 1548 bestimmt der Rat am 23. März 1730 die Reinigung der Gassen alltäglich stattzufinden zu lassen: Die Bettelvögte sollten im Sommer um 6 Uhr, im Winter um 7 Uhr früh die Gassen und Gässchen begehen und wenn sie Aeser fänden, diese aufzeichnen und den Zettel in der Rathswache abgeben, worauf sie dann um 7 beziehentlich 8 Uhr von dem "Stänkerjungen" aufzuhheben und aus der Stadt zu schaffen waren.

 

Weit wichtiger fällt in seine Zeit der Beginn einer Sensibilisierung der Bevölkerung für den Scharfrichterberuf, seine Arbeit, sein Tun und Werken für die Gemeinheit. Verschiedene Zeitungsberichte aus jener Zeit künden so einerseits zwar immer noch von den Gräuel der Hinrichtungen in jeglicher Form, andererseits werden z.B. Hintergründe zum Lebensweg verschiedenster Henkersgeschlechter aufgezeigt.

 

Nachrichten zum Nachfolger des Andreas Polz, Johann Gottlob Polz, sind wiederum rar. Eine Quelle spricht lediglich von einem Vater-Sohn-Verhältnis der beiden. Johann Gottlob starb bisherigen mir zugänglichen Berichten vor 1763, was auch insofern rechtens ist, da bereits 8 Jahre vorher (1755) eine Hinrichtung an einem Mörder dessen Nachfolger, Johann Gottlob Polster, ins Rampenlicht rückt: Freitags, den 6. Juni 1755 wurde Karl Gottlob Zeibig, welcher in Trunkenheit am 7. Januar zuvor einen Menschen ermordet hatte, auf dem Rabensteine zu Dresden, welche vor dem Wilstruffer Thore lag, durch den Scharfrichter Joh. Gottlob Polster [...] mit einem Schwertstreich enthauptet. Derselbe berechnete 2 Thlr. 12 Gr. für die Dekollierung und 16. Gr. für die Räumung des Rabensteines.
Johann Gottlob Polster, geboren um 1719 und verheiratet mit der Tochter des in Bautzen Anfang des seit Anfang des 17. Jh. bekannten Stockmeister- und Scharfrichtergeschlechts Zipser, Johanna Eleonora Zipser (* Frauenstein 1738), war wohl auch in nachfolgender Geschichte der Vollstrecker einer auch für ihn außergewöhnlichen "Hinrichtung":
Auf Befehl des Königs von Preußen ward eine Hinrichtung vollzogen, aber nicht an einem Menschen, sondern an einer Druckschrift, des Titels „Kurzer doch gründlicher Beweis, dass das Königreich Böhmen S.K.M. in Preußen zustehe“. Ein Kommando von einem Unteroffizier und acht Gemeinen bildete in der Mitte des (Alt-)Marktes einen Kreis, in den der Auditeur und der Scharfrichter traten: der Scharfrichter ließ durch seinen Knecht in dem Kreise ein Feuer anzünden; bei präsentiertem Gewehr las der Auditeur eine Erklärung vor, des Inhalts, dass Se. Maj. An dieser Schrift keinen Anteil nähmen und auf das Königreich Böhmen keinen Gedanken hätten, weshalb sie vor Gott und aller Welt Augen öffentlich Ihr Mißfallen daran durch diese Exekution kund tun wollten. Darauf gab der Auditeur die Schrift dem Scharfrichter und dieser seinem Knechte, der sie auf dem Feuer zu 
Asche verbrannte.
Um so verwunderlicher ist dieses Exempel, als das seit 1756 Preußen mehrfach in Böhmen einfällt und Prag belagert. 
Neben diesem Exempel liegen gleichfalls noch Unterlagen zu Zwistigkeiten zwischen Polster und dem Landesherrn vor, welche u.a. die Beseitigung von Pferdekadavern nach der Schlacht bei Kesselsdorf 1745 betreffen.
Und obwohl bislang kein direkter  Nachkomme des Johann Gottlob Polster (+ vor Mai 1784) nachgewiesen werden konnte, so erfahren wir dennoch von einem Meisterstück (erste erfolgreiche Hinrichtung) eines Johann Gottlob Polster jun.:
Am 28sten [Dezember 1784] ward zu Großenhayn ein gewesener Soldat vom Regim. Pr. Anton wegen verübten Mordes an einer jungen Weibsperson geköpft und sein Körper Tages darauf in hiesige Charitet überliefert. Der junge noch unmündige Polster, ein Sohn des vorigen Scharfrichters [Johann Gottlob Polster], machte sein Meisterstück an ihn."

 

Doch schon das Jahr 1770 läutete für die sächsische Rechtspflege ruhigere Zeiten ein. Wurden u.a. noch 1761 zwei Unteroffiziere, welche gestohlen hatten, Galgen und Rad als Brandmahl auf die Stirn geprägt, so schaffte man in diesem Jahr solcherlei Strafen, einschließlich Rädern, Schleifen, Verbrennen, Säcken, sowie überhaupt die Folter (zumindest auf dem Papier) endgültig ab.