Das Bild der Presse als Erfüllungsgehilfe der Justiz änderte sich spätestens 1934. Nicht nur, dass neben Kapitalverbrechen politisch motivierte Aburteilungen in gleichem Maße erfolgten und veröffentlichte Hinrichtungen dem "Volkswohl" dienen sollten, so verzichtet man seither auf die Nennung des dazu gerufenen Scharfrichters. Auch die Nennung des Berufsstandes des Delinquenten fand keine Erwähnung mehr.
Noch ehe für Sachsen ein neuer Scharfrichter bestellt werden sollte, wurde Franz Friedrich Carl Gröpler (* Magdeburg 22.02.1868, preuß. SR 1906 - 1935) zu Hinrichtungen nach Sachsen entsandt. Dieser hatte am 10. Oktober 1906 an dem 20 Jahre alten Raubmörder Otto Vogel zu Naumburg/S. seine erste eigenständige Hinrichtung zu vollziehen. In Sachsen wurde er 1933 tätig:
Zwickau, 12. April. Auf dem Hofe des Landgerichts Zwickau wurde am Mittwoch früh der 26 Jahre alte, verheiratete Zimmermann Albert Kluge aus Remse (Sachsen), der dort am 23. August 1932 die 25 Jahre alte Fabrikarbeiterin Dora Bauch ermordet hatte und am 29. Oktober v. J. vom Schwurgericht Zwickau zum Tode verurteilt worden war, durch den Scharfrichter Gröpler aus Magdeburg mit dem Fallbeil hingerichtet. Diese Hinrichtung ist das erste vollstreckte Todesurteil der Nachkriegszeit in Sachsen. [Badische Presse, 12.04.1933; Der Führer, Karlsruhe 13.04.1933]
Wilhelm Alwin Engelhardt (* Nordhausen 17.05.1875, + Schmölln 10.10.1940), war zu dieser Zeit Abdeckereibesitzer in Schmölln. Als Schwiegersohn Wilhelm Albert Reindels jun. (* 08.04.1847, preuß. SR 1898-1900) ist Engelhardt erstmals nachweisbar an der Seite Friedrich Wilhelm Reindels sen. (preuß. SR. 1874-98), bei der Hinrichtung der 28 Jahre alten Kindsmörderin Marie Frölecke, geb. Langermann, zu Dortmund am 16.Oktober 1901.
Friedrich Wilhelm Reindel sen. hatte starken Bezug zu Sachsen. Seine Scharfrichter-Laufbahn begann er im Sommer 1842 als Gehilfe des Scharfrichters Fritsche in Bischofswerda.
Engelhards Laufbahn als Scharfrichter endete abrupt 1906. Zwischenzeitlich arbeitete er als Schankwirt in Magdeburg.
Aufgefundene Pressemitteilungen berichten für Sachsen in folgender Zeit:
Datum |
Persönliches |
verurteilt wegen |
Hinrichtung |
27.05.1933 |
Friedrich Lüdicke, Melker, 30 Jahre alt |
zweifacher Mord |
Torgau |
30.06.1933 |
Horst (bzw. Karl) Grünbeck, Tischler, 21 Jahre alt |
Raubmord |
Plauen/V. |
15.08.1933 |
Eduard Just, Schuhmacher, aus Klein-Partwitz, 36 Jahre alt |
Mehrfachmord |
Görlitz |
26.08.1933 |
Willy Berndt, Schmiedegeselle, aus Segrehna |
gemeinschaftlicher Mord |
Torgau |
26.08.1933 |
Otto Pietschke, Fabrikarbeiter, aus Segrehna |
gemeinschaftlicher Mord |
Torgau |
26.08.1933 |
Emma Thieme, geb. Hönicke, aus Segrehna |
gemeinschaftlicher Mord |
Torgau |
12.09.1933 |
Walter Ließ, Landarbeiter, aus Braunsdorf, 20 Jahre alt |
gemeinschaftlicher Mord |
Torgau |
12.09.1933 |
Christine (Minna) Ließ, geb. Prinz, aus Braunsdorf, 46 Jahre alt |
gemeinschaftlicher Mord |
Torgau |
11.01.1934 |
Marinus van der Lubbe, Maurer, aus Leiden (Niederlande), 23 Jahre alt |
Hochverrat, Brandstiftung (politisch) |
Leipzig |
15.10.1934 |
Wenzel Ottmar, 34 Jahre alt |
Mord an Gefangenen-Hauptwachtmeister O. Becker |
Dresden |
02.04.1935 |
Richard Albert Standfuß, 29 Jahre alt |
Lustmord |
Leipzig |
14.05.1935 |
Gottfried Fast, 45 Jahre alt |
Mord |
Dresden |
07.08.1935 |
Herbert Kurt John, 21 Jahre alt |
Raubmord |
Görlitz |
22.10.1935 |
Bruno Nietzschmann |
Lustmord |
Dresden |
14.02.1936 |
Willibald Kaspar (auch Caspar) |
Vatermord |
Dresden |
25.02.1936 |
Martin Keil, geb. zu Annaberg, 24 Jahre alt |
Gattenmord |
Dresden |
28.05.1936 |
Otto Reichmeister, 32 Jahre alt |
Lustmord |
Torgau |
16.09.1936 |
Georg Bay, aus Kodersdorf, 42 Jahre alt |
Gattenmord |
Görlitz |
30.09.1936 |
Walter Gerhard Grummet, 21 Jahre alt |
Raubmord |
Leipzig |
27.05.1937 |
Erwin Schmidt, geb. zu Gestewitz, 29 Jahre alt |
Mord |
Leipzig |
12.08.1938 |
Emilie Pechatz (auch Pechats), aus Pirna-Rottwerndorf, 30 Jahre alt |
Gattenmord |
Dresden |
14.09.1938 |
Otto Gleißner, 38 Jahre alt |
Raubmord |
Leipzig |
06.01.1939 |
Max Schlenker, geb. zu Rothnaußlitz, 27 Jahre alt |
Lustmord |
Bautzen |
04.01.1940 |
Heinz Meischner, geb. zu Jahnsbach, 25 Jahre alt |
Raub |
Freiberg |
05.01.1940 |
Richard Neumann, geb. zu Neuland (Kr. Löwenberg) |
Lustmord |
Görlitz |
29.02.1940 |
Erich Opitz, geb. zu Leipzig, 20 Jahre alt |
Raubmord |
Leipzig |
20.03.1940 |
Max Ullmann, aus Hirschfelde bei Zittau, 27 Jahre alt |
Mord |
Bautzen |
11.05.1940 |
Rudolf Karbaum, geb. in Weißenfels, 27 Jahre alt |
Kindsmord |
Leipzig |
10.07.1940 |
Alexander Deutzenberg, geb. zu Altenessen, 27 Jahre alt |
Vergewaltigung, Raub |
Leipzig |
10.08.1940 |
Thomas Dürschner, geb. zu Pfaffenhofen, 44 Jahre alt |
Straßenraub |
Leipzig |
11.01.1941 |
Gerhard Protze, geb. zu Oberseifersdorf, 19 Jahre alt |
zweifacher Mord |
Dresden |
20.02.1941 |
Werner Jänicke, geb. zu Köthen, 34 Jahre alt |
Betrug |
Freiberg |
26.02.1941 |
Friedrich Henkys, aus Hamburg, 32 Jahre alt |
gemeinschaftlicher Raub |
Leipzig |
26.02.1941 |
Herbert Steinmetz, 33 Jahre alt |
gemeinschaftlicher Raub |
Leipzig |
26.02.1941 |
Karl Vorwerk, 34 Jahre alt |
mehrfacher Diebstahl |
Leipzig |
05.03.1941 |
Horst Hetzel, geb. zu Edersdorf, 30 Jahre alt |
Betrug |
Dresden |
06.06.1941 |
Willi Stein, geb. zu Leipzig-Stötteritz, 29 Jahre alt |
Raub |
Leipzig |
04.07.1941 |
Ludwig Cyranek, geb. zu Herten, 33 Jahre alt |
Landesverrat (politisch) |
Dresden |
01.08.1941 |
Johanna Hulda Haberecht, geb. zu Bobersen, 47 Jahre alt |
Betrug |
Dresden |
21.11.1941 |
Andrzej Woszczynski, geb. zu Henrysin, 25 Jahre alt |
versuchte Vergewaltigung |
Leipzig |
06.12.1941 |
Johann Kure, geb. zu Bernbruch, 25 Jahre alt |
vierfacher Mord |
Dresden |
22.12.1941 |
Bronislaw Stezyk, geb. zu Lublin, 19 Jahre alt |
Mord |
Dresden |
13.01.1942 |
Anna Unger, geb. zu Rockendorf (Sudetenland), 73 Jahre alt |
dreifacher Giftmord |
Zwickau |
13.06.1942 |
Emil Wünsche, geb. zu Ullersdorf, 64 Jahre alt |
Mord |
Dresden |
05.02.1943 |
Johannes Wöhlermann, geb. zu Dohna, 41 Jahre alt |
mehrfacher Diebstahl |
Dresden |
Auffallend ist bei der Vielzahl gefundener Anzeigen in der Presse, dass dem "Volkswohl" zuwiderhandelnde sogenannte "Volksschädlinge" nunmehr u.a. auch wegen Schwarzhandel, Abtreibung, Plündern, Betrug, Hamstern, bzw. Wehrkraftzersetzung oder unerlaubtem Waffenbesitz, auch versuchte Vergewaltigung, zum Tode abgeurteilt wurden.
Dass Hinrichtungen "von oben" meist angeordnet waren, beweisen nachfolgende Artikel: