Das Treiben einer Stadt

Nur wenige Gebäude und Plätze prägen eine Stadt so sehr wie die des Marktes. Die Geschäftigkeit rund um diesen Ort, ob nun im reinen Marktgeschehen betrachtet, als Schauplatz von Gauklern und Kurpfuschern oder als Mittelpunkt von Rechtsgeschäften - auch der Dresdner Altmarkt entschließt sich diesem regen Treiben nicht.

Die nördliche Fläche des Marktplatzes nahm das Rathaus ein, das urkundlich zuerst 1380 so genannt wird, unter dem Namen Kaufhaus aber bereits 1295 vorkommt und mit seiner Entstehung aller Wahrscheinlichkeit nach bis in die Zeit der Stadtgründung zurückreicht. Als Repräsentationsbau wurde das Rathaus in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dem allgemeinen Geschmack der Renaissance dergleichen umgebaut. Um das Erdgeschoss hatten die Garküche, die Ratswaage, die Gewand-, Fleisch-, Brot-, Fisch, und Schuhbänke und die Kramerbuden ihren angestammten Platz gefunden. Rechts vor dem Rathaus, nach der Badergasse (später Lochgasse, heute Teil der Wilsdruffer Straße) zu, stand neben Pranger und Gerichtshof seit 1478 ein großer hölzerner Röhrtrog, an dessen Stelle 1653 ein steinerner Wassertrog mit einem Standbild der Gerechtigkeit trat. Auch die Häuserreihen, die den Platz umschließen, haben ihr Gesicht nach und nach langsam verändert. Ursprünglich vielfach von Holz und Fachwerk, haben sie sich, der übrigen Stadt voranschreitend, allmählich ganz in steinerne Gebäude gewandelt.

 

Der Altmarkt
Der Altmarkt

In all dieser Geschäftigkeit, dem Handel und Gewerbe, gleichwohl den markgräflichen bzw. kurfürstlichen Wettspielen, Turnieren und Tierhetzen mit reger Beteiligung der Dresdner Bevölkerung sowie kirchlichen Festen bildete die öffentliche Rechtsprechung einen weiteren Punkt des täglichen Miteinanders Dresdens. Unter freiem Himmel hielt der markgräfliche Vogt mit seinen Schöffen das Landgericht: das Recht über Hals und Hand sprach er auch über die Stadt; denn erst 1484 erlangte das Stadtgericht, das im Rathaus tagte, zu der niederen auch die hohe und peinliche Gerichtsbarkeit.

Die Gerichtsbank des Landgerichts stand rechts vom Rathaus und war von Schranken umschlossen, nach denen dieser Teil des Marktes der Schrank benannt war (1462: dackten dy treppe am rathuße und machten dy gerichtsbang uf dem Schrangke). Nicht selten auch ging der Strafvollzug auf dem Markte vor sich; selbst Hinrichtungen fanden hier statt, während doch der eigentliche Richtplatz vor der Stadt lag: es waren die Fälle, die größere öffentliche Bedeutung hatten oder Delinquenten von Stande betrafen: 1551 berichten die Chroniken, das der Diener eines Juden auf dem Markt zu Dresden gevierteilt wurde, auch erlitt 1554 ein Heinrich von Arras, der einen anderen Adeligen erstochen hatte, auf kurfürstlichen Befehl auf dem Altmarkt den Tod durchs Schwert, ferner wurde 1558 Ehebruchs halber Hans von Kannewurf daselbst enthauptet. Gleichfalls wurde der Ehebruch der Sophia geb. von Zaschnitz, Frau des kurfürstlichen Geheimrats Hans von Taubenheim 1585 auf die gleiche Art und Weise gesühnt. Auch im 18. Jahrhundert wurde noch auf dem Altmarkt gerichtet.

Manche Hinrichtungen bestanden aus mehreren Akten gleichsam: sie wurden des öffentlichen Beispiels und der größeren Feierlichkeiten wegen auf dem Altmarkt begonnen und an anderem Orte zu Ende gebracht. 1548 wurde einer, der seine eigene Mutter vorsätzlich ins Wasser gestoßen, so dass sie umkam, erst an den vier Ecken des Marktes mit glühenden Zangen gezwickt und dann von der Brücke in einem Sack in die Elbe geworfen. Die Ausstellung an dem Pranger, meist nur ein Teil der Strafe, geschah immer auf dem Markt; stand doch in ältester Zeit der Pranger fest auf offenem Markt neben der Gerichtsbank; später und zwar noch 1792 wurde er immer für den einzelnen Fall vor dem Rathaus aufgerichtet. Der Übeltäter musste eine Stunde da stehen, an der Brust trug er einen Zettel, auf dem Name, Vergehen und Strafe angegeben waren. Einen tüchtigen Spaß mag es einer müßig gaffenden und spottenden Menge auch gegeben haben, als im Jahre 1734 einmal eine liederliche Dirne, angetan mit einem Schellenhalsband, den Altmarkt kehren musste.

Eine Justiz, die nicht gegen Menschen sich richtete, übte der Rat mit den Hundehetzen bis ins 15. Jahrhundert aus, wobei die herrenlosen Hunde auf dem Markte zusammengetrieben, gehetzt und totgeschlagen wurden.

P.S. Die Prangerstrafen wurden übrigens in Dresden offiziell erst 1904 abgeschafft.