Der Schinder

Ein Schelm, der böses dabei denkt

 

In all unserer Sprachgewandheit sind Bedeutungen einer Aussage nach derzeitigen Maßstäben meist klar und verständlich. Das sich die Gewichtung eines Wortes im Laufe von Generationen verändern könnte, bemerken wir erst dann, wenn man sich dem Verständnis von Handlungen bzw. dem Glauben vergangener Tage zu öffnen versucht. War so z.B. die Hinrichtung durch das Feuer mit einer inneren Reinigung verbunden oder der Tod durch den Strang unehrenhaft, so fallen Todesstrafen wie das Ersäufen (Ertränken), Vierteilen, Pfählen u.a. in eine Kategorie, deren Grausamkeit nur schwerlich nachvollziehbar ist. Gleiches gilt für das Schinden.

 

Im Abdeckergewerbe ist das Abziehen der Haut von totem Vieh und dessen Weiterverarbeitung u.a. in der Gerberei eine durchaus einleuchtende Verrichtung, wobei die Gemeinschaft den Nutzen aus dererlei Arbeit zu schätzen weiß, zumal die Kunstfertigkeit des Abziehens maßgeblich die Qualität der herzustellenden Produkte beeinflusste. Im Sprachgebrauch ist der Schinder deswegen häufiger anzutreffen, so z.B. erfahren wir beruflicherseits vom Schinderkarren, örtlicherseits vom Schindacker, vom Schinderteich oder der Schinderei, auch zeigt der Schinderweg den Weg zum Abdecker auf.

 

Das Abziehen der Haut - an Menschen vollzogen - dagegen ist zum Glück nur selten anzutreffen. Das Martyrium des Hautabziehens soll so der Apostel Bartholomäus erlitten haben, welches Lucas Cranach d.Ä. in einem seiner Bilder festhielt. Auch ein Gemälde von Gerard David (+ 1523) befasst sich mit dem Thema. Nachrichten in den Chroniken darüber fand ich bislang (glücklicherweise) nur sehr vereinzelt, wobei nur besonders schwere Straftaten abgegolten worden sind. Noch 1768 benennt jedoch die "Constitutio Criminalis Theresiana", die neue Strafrechtsverordnung Maria Theresias (römisch-deutsche Kaiserin), das "Riemenschneiden aus der Haut" als rechtens.

 

In einem ganz anderen Kontext zu erfahren ist dagegen nachfolgender Eintrag einer Selbstmörderin: 1647, 06. April, ergriff der Zweiffels-Strick Michael Buchards Weib aus Geitz, in Abwesenheit ihres Mannes, die hart der Scharffrichter aus Fronau [Frohnau] geschleppt, erst geschunden, und dann am Berg eingescharret.

 

Cranach d. Ä., Lucas: »Martyrium der zwölf Apostel«, Hl. Bartholomäus
Cranach d. Ä., Lucas: »Martyrium der zwölf Apostel«, Hl. Bartholomäus

Schelm, eine im Hochdeutschen völlig unbekanntes Wort, welches eigentlich ein abgezogenes todtes Vieh bedeutet, in welchem Verstande es auch in Niedersachsen hin und wieder gangbar ist, wo sein Pferd zum Schelmen machen lassen so viel ist, als es abdecken lassen. In weiterer Bedeutung wird es in manchen Gegenden Ober-Deutschlands von einem todten, an Krankheit verstorbenen Körper, auch im verächtlichen Verstande von einem Aase gebraucht. Ein Schelmengeschmack, ein Aasgeruch, Hans Sachs. Es stinkt, als ein Schelm. Seb. Frank, bei dem Frisch. Der Rab, der aus Noa Arche flog, fand vielleicht einen Schelmen im Wasser fließen. Königshof. ebendaselbst.

In weiterer Bedeutung: Schelm ... ein seiner Verbrechen wegen ehrlos gemachten Menschen ...  Jemanden zum Schelm machen, ihn mit gewissen Feierlichkeiten ehrlos machen. Ihn als einen Schelm verjagen. Wie ein Schelm handeln, davon gehen ... zum Schelme machen ... [Oeconomisch-technologische Encyclopädie oder Allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirtschaft, 142. Teil, Berlin 1826]

 

 

Beschimpfungen dieser Art finden sich in den Quellen immer wieder, wobei die Aussage einer "unehrlichen Haut" hochgradig persönlich boßhaft nicht zu unrecht gesühnt werden wollte, wie z.B.

1610: – 2 fl. 6 gr. Barthel Hase, Seiler zu Hartha, das er den Capellen (= Caplan) daselbst, Johan Vlenium, schmehelichen angegriffen undt ihn vor einen sieben sacramentischen schelmischen Pfaffen gescholten, er hatte sich in die Pfarre gelogen, wehre ein Bachandt und ihn sonsten verschumphieret (Jahresrechnungen des Rochlitzer Amtes). Auch wurde zu Pirna 1672 ein Soldat auf öffentlichen Marckt zum Schelm gemacht, weiln er gestohlen, seine Frau und 4 Kinder aber musten bey Sonnenstein aus der Stadt. Aus Zwickau erfahren wir 1547: hat Peter Pfefferkorn, welcher damals 2 Fändlein Fußknecht in der Stadt liegend gehabt, hier auff dem Marckt drey ihrer Meuterey halben, hencken, 16 zu Schelmen machen und an die Justitz anschlagen lassen.


Scherge

In welch vielseitiger Form der Strafvollzug im Sprachgebrauch seine Verwendung findet, zeigt sich in der Begrifflichkeit des Schergen, wobei der Büttel als Gerichtsfrohn hier ebenso Eingang findet wie der Henker. Beide - als unehrlich betrachtet - waren niedere Vollzugsbeamte und beide arbeiteten Hand in Hand. Der Scherge - (niederdeutsch) gleichfalls unehrlich - hatte dagegen das Fahnden auf Verbrecher sowie die Strafvollstreckung zu besorgen, wobei das Grimmsche Wörtbuch als Besonderheit u.a. aufzählt: der scherge im ûʒ diu ougen stach

Stellt man dem den in einer Dresdner Handschrift genannten hengers stogk gegenüber, bleiben kaum Zweifel an einer mehr als nur engen Zusammenarbeit beider Arbeitsgebiete, zumal verschiedentlich der Büttel das Auspauken (Stäupen) und die Ausweisung von Straffälligen aus der Stadt übernahm. Der Scherge als solches findet im sächsischen Sprachgebrauch dagegen kaum wenn nicht sogar keinen Eingang in die Annalen. Lediglich der Ort Schirgiswalde nimmt für sich in Anspruch, seine Namensherkunft auf den Schergen zurückführen zu wollen.