Zur menschlichen Schwäche zählt seit Altersher, seine "eigenen Schäflein ins Trockene bringen" zu wollen, seine
Familie versorgt zu wissen, auch wenn es dabei manchmal zu eher unredlichen Handlungsweisen kommt. Jedweder Berufszweig ist davon betroffen, doch gerade beim Scharfrichter/Abdecker sollte man
annehmen, dass jener - der die Konsequenzen jeglicher grober Verfehlungen kennt und diese zu "sühnen" hat - bemüht ist, solcherart Irrwege zu vermeiden. Doch weit gefehlt. So warnte man gar vor
Betrügereien seines "Standes":
Scharf‑ oder Nachrichter betrügen: 1) Wenn sie ihre Privilegien mißbrauchen, und zumalen an Orten, wo man sie nicht kennt, in ihrem Stande vielmehr sich
herausnehmen, als ihnen erlaubet. 2) Wenn sie die Hunde hinterlistiger Weise ergreiffen und umbringen, damit sie von solchen das Fett und den Balg zu ihren Nutzen gebrauchen können. 3) Wenn sie,
nach geschehenen Selbst‑Mord, bey Herausschleppung des Entleibten mehr prätendiren, als ihnen gehöret von denen Sachen, welche um den Selbst‑Mörder herum hegen. 4) Wenn sie Arzeneyen präpariren,
und Menschen und Vieh zu curiren sich unterstehen, davon sie doch keine Wissenschaft haben, wie sie denn auch daher, weil sie sich öfters Apotheker gebrauchen lassen, in der Chur‑Mannischen und
Frankfurthischen Apotheker‑Ordnung in Ansehung, daß einem Gefolterten die Glieder einlenken, zur medicinischen oder chyrugischen Praxis noch nicht zulänglich sey, billig verworfen worden. 5) Wenn
sie die Einfältigen bereden, sie wollten ihnen vor ein geringes Geld etwas geben, daß keine Here weder an ihrem Viehe. noch an allen dem, was sie im Hause haben, Schaden thun oder etwas nehmen
könne, oder solle. 6) Wenn sie, nicht so wohl nach dem Befehl der Richter, als vielmehr nach ihren eigenen Affecten richten, und den armen Sündern entweder aus einen grausamen Haß zu viel leiden
lassen, oder bey der Tortur, Staupenschlag und dergleichen mit den Maleficanten heucheln und um Geschencke oder Freundschafft wegen selbigen gar zu wenig thun. 7) Wenn sie wie, nach Anzeige des
Hn. Gerbers in s. Fortsetzung der unerkannten Sünden der Welt p.754. wohl eher geschehen, die Weiden vergifften, daß das Vieh davon hauffenweis hinfalle, und sie desto mehr zu thun bekommen
mögen. 8) Wenn sie um nichtiger Ursach willen ehrlichen Leuten zur Beschimpfung den Schinderkarren vor die Thür führen, nur damit diese sich mit ihnen abfinden müssen. 9) Wenn sie die Leute
bereden, machen zu können, daß ein Dieb das gestohlne Guth wiederbringen müsse. 10) Wenn sie die Schweine mit Luder füttern, und damit wenn sie geschlachtet sind, das Gesinde speisen. 11) Wenn
sie, da ihnen ein mageres oder sonst verunglücktes Pferd zum Abdecken zugeschicket wird, solches wieder ausstopfen oder ausheilen, und hernach etwann andere noch damit betrügen. 12) Wenn sie mit
Pistolen und andern Geschoß oder Seiten‑Gewehr handeln, und von solchen, daß es alle Festigkeit auflöse, von demjenigen aber, der dergleichen Gewehr bey sich führe, daß demselben niemand einen
Schuß, Stich oder Hieb anbringen könne, die Leute bereden. 13) Wenn sie bey mißlungener Hinrichtung ein Maleficanten durchs Schwerdt vorgeben, es wäre ihnen gethan worden, sie hätten vor dem
Diebe drey Köpfe gesehen und dergleichen mehr ist, nur damit sie unter solchen Deckmantel ihre Ungeschicklichkeit verbergen mögen. 14) Wenn sie sich großer Wissenschaft mit Hausmitteln,
Specificis oder sogenannten arcanis rühmen, solche aber vorher entweder selbst nicht probiret haben, oder doch bey der Probe nicht zugegen gewesen, sondern nur von Hörensagen und aus alten
Kräuter‑Büchern haben, nichts destoweniger damit allerley Krankheiten ohne Unterscheid curlren ollen. 15) Wenn sie beym Urinbesehen den Leuten allerhand Lügen, woher die Maladie dieses oder jenes
Patienten herrühre, vorsagen, und bey Bauern oder Handwerks‑Leuten, die Schuld etwa einem kalten Trunk, bey Beamten den Zorn, bey Wittwen und verschuldeten Personen einem Gemüts‑Kummer, u.s.f.
zuschreiben, und da dieses nicht eintrifft, dem Wasser‑Überbringer fragen: Wie und wenn der Urin sey aufgefangen worden? Da mag nun geschehen seyn, wenn und wie es will, so ist es denen Betrügern
nicht recht, sie sprechen, man solle den Urin anders auffangen, und wieder zu ihnen kommen, dann würden sie besser urtheilen können: inzwischen geben sie für 16.gr. zu brauchen, da stirbt
immittelst entweder der Patient, so bleiben sie künftig mit dem unbekanten Urin verschonet, oder er lebet, so haben sie schon Gelegenheit, nemlich von der eigentlichen Beschaffenheit der
Krankheit nähere Nachrichten einzuholen, und da thun sie alsdann, als wenn sie solche aus dem recht aufgefangenen Wasser gesehen hätten: Will die Betrügerey den Stich noch nicht halten, so
sprechen sie, es sey Hexerey, der Patient wäre behert, die nächsten Nachbarn, die der Patient für seine besten Freunde hielte, hätten ihm solches verursachet, es sey ein gethan Ding, u.s.w. Conf.
Anonymi entdeckter Betrug aller Menschen im Handel und Wandel, dritte Eröffnung cap.4.p.221.
Mittel: 1) Daß man zu der gleichen Amte ehrliche und unerschrockene Leute, auch solche, die in ihrer Kunst wohl erfahren, d von jedermann ein gutes Zeugruß der Aufrichtigkeit haben, nehme, wie Carpzovius in Prov. crim. P. III. qu. 37. n. 52. erinnert. 2) Verbiete, daß sie die arme Sünder und Selbst‑Mörder nicht berauben, und etwas von ihren Kleidern oder Gütern nehmen. Daß sie keine Hunde abfangen, 4) sich aller innerlichen Curen nicht weniger derer äusserlichen, ausser was Gliedereinrichten und dergleichen betrifft, 5) auch aller zauberischen unnatürlichen Mittel, und abergläubischen Stücke sich enthalten, noch weniger denen Leuten, welche von ihnen die Personen, so sie bestohlen oder ihnen durch Hexerey Schaden gethan, wissen wollen, mit Rath und verbotenen Künsten an die Hand zu geht vielmehr solche Gottlos‑fragende der Obrigkeit zu billiger Abstrafung sofort anzeigen.