Martyrium am Pranger

Weit früher als uns wohl bekannt, sind Martern und Pranger im mittelalterlichen Stadtbild Dresdens zu finden. Erste Kenntnis gibt uns eine Kämmereirechnung aus dem Jahre 1431, wobei dem Henker 30 gr. gezahlt wurden von Hans Loufen und der vrauwen, die uf dem prenger stunden. Ebenso gründlich wurden 1463 abgerechnet: 4 gr. vor drey kannen weyn, ye eine kanne vor 12 ph., den gefangin, do man sy marterte. An Material für einen Neubau in Altendresden (heute: Neustadt) stellten die hieran Beteiligten 1475 in Rechnung vor biir, vor schindel, vor eyßewergk, vor nayle und den czymmerleuten bibalaia 1 ß 49 gr. 1 # 1 hll.

Alleine auf der Elbbrücke befanden sich zwei Martersäulen, auf deren einer die Jahreszahl 1515 zu lesen war, jedoch religösen Ursprungs sind:
... Sonst seynd zur rechten Hand auf dieser Brücke zwo unterschiedene Steinerne Säulen / auf denen das Leyden Christi in Stein gehauen zu sehen / als welche noch zur Zeit der Römisch Catholischen Religion / umb Andacht willen gesetzet / maßen bekannt / daß noch heutigen Tages in Landen / wo selbiger Gottesdienst in Ubung / dergleichen Säulen / so man Martern nennet / auf Brücken und offenen Land-Straßen in großer Menge anzutreffen / und damit gemeinet / daß es bey denen vorüber gehenden und Reisenden eine devotion erwecken soll. Von der einem / der obbemelten Marter / erzehlet allhier der gemeine Mann: Sie sey dahero aufgerichtet / weil ettwan die Elbe einsten so groß gewesen wäre, daß selbigen Orts eine Barbe außm Wasser auf die Brücke springen können / und wird zu Bescheinigung gebraucht / weil an der Seule eine Barbe auf einem Wappen-Schilde gehauen ist. Weil aber in keinen Annalibus zu lesen / daß 1499 (als welche Jahrzahl in dieser Seule stehet) eintzige Ergießung der Elbe geschehen / dergleichen Begebenheiten doch sonsten / zuvor und hernach gar genau aufgeschrieben / so giebt sich bald / daß es nur ein Gedichte / und ist glaubhafter / daß es darmit eine andere uhrsprüngliche Gelegenheit habe / und nur der Uhrheber dieser Marter-Säule etwan solchen Fisch in seinem Wappen gehabt / die von Carra genannt / nur 2 kleine Meilen von Dresden das Dorf Coßwig besetzen / welche eben einen solchen Fisch in Wappen führen. [Quelle: Wecksche Chronik]

Gleichfalls wissen wir von der Existenz einer steinernen Martersäule an der Dippoldiswalder Straße, welche gleichfalls schon 1442 Erwähnung in den Annalen findet. Ob diese religösen und strafrechtlichen Hintergrund hatte, kann ich an dieser Stelle nicht sagen. Die Veränderung der Bedeutung einer Marter in seiner Begrifflichkeit ist insofern interessant, da heutzutage eher das strafrechtliche Mittel einer solchen in den Vordergrund rückt.

Ende des 18. Jahrhunderts ist das Maximum derselben wohl erreicht, denn das Stadtbild allein "ziert" an solchen neben der auf der Elbbrücke eine in der Allee, wo einst die Kirche stand, eine am schwarzen Thore, und drei auf dem Sande an der Stolpener Straße, die von der Kreuzkirche angerechnet... [Quelle: Sammler 16; Richter]

Den Standort des Prangers an der Kreuzkirche nennen uns Quellen aus dem Stadtarchiv. Ein erhaltener Brief aus dem Jahre 1711 des Pastors daselbst, Samuel Adami, an den Bürgermeister Dornblüth besagt, dass dieser an der Thurmecke, wo man von der Thurmthüre herum zur grossen Kirchthüre geht und wo ein großer Hahn in den Stein geschlagen ward, aufgerichtet war.

Es ist zweifelsfrei, dass die Schmach, welcher der arme Sünder durch Leibesstrafen zu erleiden hatte, nicht nur ihn persönlich traf, sondern auch seine Angehörigen. Der Phantasie waren hierbei keine Grenzen gesetzt. Egal, ob jemand am Pranger im Halseisen gestanden, die Marterkammer von innen gesehen, die Staupe mit Riemen oder Ruthen samt der folgenden Ausweisung aus der Stadt über sich ergehen lassen musste, man war gebrandmarkt sein Leben lang.


Nicht nur, dass die Zurschaustellung bzw. Hinrichtung des armen Sünders ganze Volksmassen anlockte, es wurden Mittel und Wege gefunden, den Delinquenten unsäglichem Hohn und Spott auszusetzen.

Beispiel hierfür boten z.B. die bemalten steinernen Flaschen, welche  - anstatt dem Einsitzen im "Narrenhäuschen"  - im 16./17. Jh. zanksüchtigen Weibern umgehangen wurden.
Noch Anfang des 18. Jahrhunderts ließ man nicht davon ab, so Ruhe in der Stadt zu schaffen. Sogenannte liederliche Manns- und Weibspersonen fanden Platz an einem mit Schutt beladenen Fuhrwerk, woran sie vornan angeschlossen diesen unter Hohn und Spott der Stadtbewohner aus der Stadt zu ziehen hatten. Diesen außerhalb der Stadt abgeladen und mit Sand und Pflastersteinen wiederum beladen, müssten sie die Tortur abermals stadteinwärts über sich ergehen lassen.

Anschauungsunterricht gegen Verfehlungen kleinerer Natur des Militärs aber auch der Zivilbevölkerung bot Ende des 17./Anfang des 18. Jh. ebenfalls der auf dem Neumarkt aufgestellte hölzerne Esel, eine 9-10 Schuh hölzerne Maschine in der Figur eines Esels. Eher der Schande als der körperlichen Züchtigung wegen musste der Sünder hierauf mehrere Stunden ausharren. Sollte die Strafe verschärft werden, so wurde der Sattel abgenommen, ja sogar bei größeren Verfehlungen Gewichte an die Füße des Delinquenten gehangen.

Und obwohl 1770 als eines der ersten Länder auch Sachsen offiziell seine Folter abschaffte, so mutet es dennoch seltsam an, wenn vier Jahre später (09.12.1774) noch bei Strafe schwerer Handarbeit, Aufstellung am Pranger bzw. Festungs- und Zuchthausstrafe das Trödeln auf offenem Markte und in den Straßen verboten ward.