Mit der Sünde verwoben

 

Selbstmord ist bis heute ein zweischneidiges Schwert. Wo einerseits die Hintergründe einer Selbsttötung des Betroffenen meist nicht erfahrbar sind und vielleicht das Versagen und die Scham der Angehörigen mitschwingen, sind kirchliche Dogmen eines unsäglichen Sündenfalls tief in den Köpfen – bis heute - eingegraben, wobei die Hinausschaffung bzw. „Aufhebung“ eines „Sünders“ in der Vergangenheit gleichsam mit unvermittelter Härte vollzogen wurde. Selbst die Scharfrichter und deren Knechte verweigerten manchmal diese Arbeit, wobei dann der Totengräber oder gar ein Tagelöhner dazu verpflichtet wurde, den Körper des „Sünders“ zu verscharren ... unterm Galgen, noch vor Ort oder an einer speziell ausgesuchten Stelle an der Mauer des Gottesackers, an deren Stelle sonst die Hingerichteten verbracht wurden. 

 

Praxis rerum criminalium
Praxis rerum criminalium

Wiederum trat der Aberglaube zu Tage, wenn es darum ging, den Strick des sich Erhängten für seinen persönlichen „Schutz“ zu erwerben, welcher dann gegen Zahnschmerzen, Pferdekrankheiten o.ä. zu helfen vermochte. Auch darf man einen Gehängten nicht abschneiden, ohne ihm vorher einen Backenstreich zu geben (Lausitz, Schles.), - vermuthlich um damit Gerechtigkeit zu üben, und daher alle Gemeinschaft mit dem Gehängten abzuschneiden; in Schlesien sagt man naiv: „weil er dem Henker ins Handwerk gegriffen hat“. Wenn ein heftiger Sturm saust, so fährt der Teufel mit der Seele eines Erhängten davon (Schles., Lausitz, Mark, Schwaben).

 

Auch unter der Scharfrichtersippe selbst sind Selbsttötungen verzeichnet, so z.B. erhängte sich 1756 der Schloßfrohn von Bautzen, ein Sohn aus der Scharfrichterfamilie Zipser. Er wurde von zwei Abdeckern abgeschnitten, in einen Sack gesteckt, über die Schloßmauer herabgeworfen in der Gegend der Schmole verscharrt. Johann Gottfried Mende, Feldmeisterknecht in Rötha (+ 1778), Johann Friedrich Nicolaus Wittig, SR in Liebenburg (+ vor 1807), Friedrich Wilhelm Wittich, Sohn des Mühltroffer SR (+ 1866) oder Johann Heinrich August Uder, Abdeckereibesitzer in Schönungen (+ 1895) wählten gleichsam den Freitod. 

 

 

Zeitleiste (Auswahl)

 

1555: Stadtbuch Pirna. Solchem zufolge hat man ihm ao. 1555, als er einen Gefangenen und sich selbst Entleibten aus der Schuldkammer weggethan, geben müssen 5 Thaler 12 Gr., vermöge des Kammerbuches des Jahres. In diesem findet sich auch die Bestätigung: 2 Sch. 12 Gr. dem Henker, den gehangen nauss zu schicken. [Hofmann, S. 206]

 

Zwickau 1563: 13. Juni, ist einer Caspar Eberhard genant, Diebstals halben eingezogen worden, der hat sich in der Schuld-Kammer, an einem Band welches er aus seinem Hembde gemacht, am hindern Fenster an einen eisern Stab, selbst erhängt, der ist ausgeschleifft, und unter den Galgen begraben worden. [Schmidt II, S. 389f.]

 

Meiningen 1581: 13. März, hat sich ein Schäffer zu Ellingshausen selbst erhängt, und den 15. dieses vorm Unter-Thor verbrennt worden. [Güth, S. 278]

 

Scheibenberg 1581: 10. Mai, gehet Matz Kuntz aus der Lößnitz frühe nach Behrfeld [Beierfeld?], da er in die Aue kommt, erhenckt er sich an des Spitals Heuschuppe an einen Balcken, wurde am Pfingst-Tag [14.05.] auf sein Feld geführt und begraben. [Lehmann, S. 71]

 

Bautzen 1582: 22. Juni, hat ein Schmidt aus Reichenbach sich selbst die Gurgel aufgeschnitten und ist dann in einen Brunnen gesprungen. Seine Leiche ist durch den Henker von Bautzen an einem Scheidewege begraben worden. [Chronik der Stadt und Parochie Reichenbach/OL., Traugott Richter, Reichenbach 1867, S. 139]

 

Dittersbach 1604: 22. Juli, am Tage Maria Magdalena hat sich Adam Göhler mit einem Aermel vom Hemde erhängt, ist aber, weil geisteskrank, auf Zulassen des Oberhauptmanns und des Superintendenten auf dem Kirchhofe begraben worden. [Chronik des Amtsgerichtsbezirks Frauenstein I, O. Schleinitz, Frauenstein 1887, S. 86]

 

Wilsdruff: „1606 hat sich Michael Fehrmann aus Wildberg, Bauer in Röhrsdorf, an der Ofenstange in seiner Stube erhängt. Der Scharfrichter, der ihn losgeschnitten, hat bekommen seinen Wagen und die beiden Pferde, darauf er des Bauern Körper auf seine Weise zur Einscharrung gefahren, ingleichen zwanzig Thaler Geld nebst freier Zehrung.“

 

Saalfeld: Im Jahre 1612 wurde der Galgen auf der Pöllnitz mit neuen Balken versehen und der Amtsschösser Martin Eckart ließ auf richterliche Erkenntniß einen Dieb aus Auma, der sich bereits im Gefängniß erhängt hatte, daran aufknüpfen.

 

Altenberg 1614: 23. Jan., hat sich Thomas Kochs Eheweib zur Nacht in der Scheune erhenckt, da ihr Mann eben in Geysing zum Biere gewesen. Sie ist von einem Manne aus Böhmen gegen Erlegung 7. thlr. abgenommen, und beerdigt worden. [Meißner, S. 423]

 

Altenberg 1620: 01. Mai, hat sich in Geyßing der Vieh-Hirte, Nahmens Jacob Francke, auf der untern Gemeine bey Valentin Bindhasens Wießgen an einer Fichten erhenckt: ward abends abgenommen, in ein Schurff (d.i. in ein Loch, so nach Klüfften und Gängen gemacht worden) geworffen, und mit Erde bedeckt. [Meißner, S. 432]

 

Eschdorf 1624: 06. Mai, hatt sich Gerg Zaschler in seinen heußlein auf der gemeine (neben dem Hirtenhause, eingegangen nach 1641) unter den Schulgartenn stehentt erhenckt, Welches man allererst auf den 5. Tag hernach ist innen worden. Ist durch Meister Christoff, Scharff Richtern zu Dreßden hinauß gefürett, unnd am Viehwege begraben worden. [Seidemann, S. 96]

 

Pirna 1624: 23. Aug., erstach sich der Gräfin von Thurn ihr Page auf der Treppe in Herrn Dr. Martins Hause trunkenerweise und ward Tages darauf frühe um 4 Uhr von dem Totengräber heimlich auf den Weiten Kirchhof hinausgetragen und begraben. [Petermann, S. 163]

 

Dippoldiswalde 1627: Beim Kirchhofe (Nikolaikirche) lag das Totengräberhaus an der Westseite des Kirchhofes außerhalb desselben. Der Totengräber erhielt nach 1627 die verhältnismäßig hohe Besoldung von 9 Schock 6 Groschen. Selbstmörder aus der Behausung abzuholen, das tat nicht einmal der Schinder, sondern es mußte für jeden Fall gegen hohe Bezahlung jemand gefunden werden, denn Berührung mit Selbstmördern machte unehrlich. [Knebel]

 

Am 17. Januar 1632 berichtet der Rittergutsherr Wolff Friedrich Alnbeck zu Tanneberg an den Kurfürsten: Am 30. Dezember 1631 gegen Abend sei ein „frembder menniglicher Kerrel in die Schenke zu Tannenbergk gekommen“, habe sich als Koch ausgegeben und um Herberge gebeten. Er habe sie erhalten, da er „vor einen Retlich Mann“ angesehen. Als der Wirt zu Bett gegangen, hat der Gast „durch Vorhengnus Gottes und antrieb des bösen Feindes oder gewießens“ in der Stube, alta er alleine übernacht blieben“, an einem hölzernen Haken hinterm Tische sich erhängt. Der Feiertage und der geschlossenen Regierung halber hat sich Allnbeck seinen Bescheid holen können, wie er sich verhalten solle. Die Gemeinde will nämlich die Kosten für die Beerdigung des Selbstmörders nicht tragen und erklärt, ihn hängen zu lassen. Allnbeck hat schon in zwei derartigen Fällen die Kosten ausgelegt, von der Gemeinde aber nichts wiedererhalten und will in dem Falle nicht noch mal verlegen. Weiln nun der Körper die Feiertage über gehangen und fast „gar anbrüchigt“ geworden, habe der Pfarrer besorgt, man wolle doch ins Amt Meißen Anzeige erstatten, weil womöglich der Scharfrichter den Selbstmörder „des bösen Gestankes halber dann gar nicht mehr löse“. Von Meißen sei der Bescheid gekommen, der Gerichtsherr habe die Kosten zu verlegen. Der Verbrecher sei also abgenommen worden, die Gemeinde aber wolle ihm immer noch die Unkosten „alleine aufhalsen“, und daher bitte er den Kurfürsten, die Tanneberger zur Vernunft und zur Erstattung der Kosten anzuhalten.

[Eingegangene Berufe In: Unsere Heimat, Zeitschrift für Heimatforschung und Heimatpflege, A. Kühne, Nr. 42, Dezember 1932, S. 165f.]

 

Kölleda 1638: hat Hans Hemmeleb, ein junger Ehemann, so an die drei Jahre im Kriege gewesen, sich in seinem Hause auf dem Boden gehenkt. Er sollte 70 Thlr. an das Regiment bezahlen, glaubte aber nicht es bezahlen zu können und fürchtete Regimentsstrafe. Sein Körper ist durch den Feldmeister vom Boden herab durchs Fenster auf die Gasse gestürzt, auf einem Karren mit umgekehrtem Angesicht hinausgeführt und auf dem Anger vor dem Johannisthore eingescharrt worden.

 

Bautzen 1646: ermordete eine Dienstmagd das dreijährige Kind ihres Herrn und erhing sich darauf. Die Erhängte wurde von dem Scharfrichter zum Fenster hinaus auf die Straße geworfen, auf den Karren geladen und an dem Galgen verscharrt, nachdem derselben zuvor der Kopf abgehauen worden war. [Wilke, S. 505]

 

1649: Kirchenbuch. „ist Georg Ziegenbalg, der Niedermüller allhier in Großröhrsdorf, am Himmelfahrtstage [03.05.], zu Nacht, von Georg Geblern, dem Bretschneider in der hiesigen Obermühle, mit einem Brodmesser entleibt und den 11. Mai desselben Jahres begraben worden“. [Praßer, S. 438]

 

Anstellungsurkunde vom 30. Juli 1662 für Benedict Wahl, SR zu Dresden: …  Er soll Selbstmörder beseitigen und nichts dafür nehmen, als was ihm freiwillig gewährt wird, „und do er etwas über die Kleydung bey den entleibten finden würde, soll beym Ambte oder Rathe stehen, waß mann ihme darvon soll folgen lassen“. Mußte er zu diesem Zwecke über Land, so bekam er für das Abnehmen eines Erhängten zehn Silbergroschen, ebensoviel fürs Begraben, für das Fortschaffen der Leiche zwei Silbergroschen und die Zehrung. An Orten aber, die nicht zu seinem Dienstbereiche gehörten, durfte er fordern, was er wollte, doch mäßig, „damit er dem Dienst nicht einen Abfall mache und die Leute geuhrsachet werden möchten, einen anderen scharffrichter zu gebrauchen“.

 

Rochlitz 1667: 03. Mai, ein fremdes Weib, so etliche Tage im Rochlitz betteln gegangen, mit 2 Kindern, erhenckte sich vor dem Dorffe Noßwitz [Nosswitz, OT Rochlitz] an einem Birnbaum, nachdem sie vorher gedachte ihre beyde Kinder, ein Mägdlein von 2 ½ Jahren und ein Knäblein von etlichen wenigen Wochen mit einem Messer ermordet hatte. Das Mägdlein lebte zwar noch ein wenig, war aber so verwundet, daß es kurtz darauf gestorben. Die erhenckte Raben-Mutter, welche man schon eingescharret hatte, ist nach eingelauffenem Urthel durch den Caviller wieder ausgegraben und unter den Galgen geleget worden. [Heine, S. 395; Bode, S. 141; Pfau, S. 30]

 

Bautzen 1667: 17. Sept., hatte sich eine alte Frau von der Seidau an einem Baume erhängt. Ein Bauer, der die erhängte Person zuerst sah, schneidet dieselbe ab und begräbt sie. Diesen Eingriff in sein Geschäft nahm der Scharfrichter so übel, daß er öffentlich drohte, den Bauer, wo er ihn fände, zu erschießen. Der Stadtrath, davon in Kenntnis gesetzt, untersagte ihm allen Ernstes ein solches Verfahren. [Wilke, S. 405]

 

Schneeberg 1670: 05. Nov., … Selbstmord [von] Maria, Gabriel Weisens Weib zur Ober-Schlem [Schlema], welche sich am …, nachdem sie in die 4 Jahr melancholische Gedancken geheget und länger als in einem Jahr das H. Abendmahl nicht genossen, auch keinen Trost des Göttl. Worts annehmen wollen, mit Vorgeben, daß ihre Seele schon dahin und zu lang geharret wäre. Ihr Mann hat sie nicht berühren dürffen, weil nach ihrer Einbildung ihr inwohnender böser Geist sie bedienete. Da sie nun von Sonnabend biß Mitwoch also gehangen, hat sie niemand angreiffen wollen, biß endlich die Knechte des Meisters zu Schwartzenberg gekommen und gegen ziemliche Gebühren die erhenckte abge-nommen und zum Fenster hinaus geworffen und uff einen Schlitten die Vieh-Trifft hinaus unter das alte Ober-Schlemer Gericht geschleppet und daselbst eingescharret. [Meltzer II, S. 1047, 1387; Lehmann II, S. 78]

 

Bautzen 1672: erhing sich ein Gärtner, welcher nach dem damaligen Gebrauche nicht von dem Scharfrichter, sondern von einem Freunde abgeschnitten wurde. Der Erhängte erhielt von der Geistlichkeit ein gutes Zeugniß, wodurch den Anverwandten erlaubt wurde, denselben ohne Beisein des Scharfrichters hinter der Mauer des Heiligen-Geistkirchhofes zu be-graben. Mit dem Scharfrichter jedoch mußten sich die Angehörigen vergleichen. Er erhielt 6 Thaler. [Wilke, S. 410]

 

Dippoldiswalde 1674: 30. März, erhängte sich in der Gefangenenzelle des kurfürstlichen Stallgebäudes Martin Kunat mit einem zusammengedrehten Bettlaken und wurde unterm Galgen begraben. [Knebel, S. 329]

 

Pirna 1694: 04. Sept., nachmittags etwa zwischen 4 und 5 Uhr, erhing sich vorm Dohnaischen Tore der Ablatfrauen melancholische Tochter in ihrer Schlafkammer an einem Hemden- oder, wie andere sagen, Sack-Saum, wurde vom Totengräber bei Nachtzeit auf dem Weiten Kirchhof begraben. [Wendler I, S. 26; Petermann, S. 171]

 

Radeberg: Gottesacker außerhalb der Stadt. Der Haupteingang ist nach Süden gelegen. Durch ein zweites, nach Osten befindliches Thor wurden in vergangenen Zeiten die Selbstmörder zur Ruhe gebracht. [Martius, S. 69]

 

Hainichen 1705: 26. Juni, schnitt sich David Reger, Tuchmacher und Totengräber allhier, früh zwischen 6 und 7 Uhr die Kehle ab, vorgebend, seine Kinder hätten ihn dazu gebracht. Er lebte bis gegen 10 Uhr, wollte sich allen Zuredens ungeachtet mit seinen Kindern nicht versöhnen, sprach zuletzt mit großer Mühe, beichtete und betete dem Ansehen nach sehr inbrünstig um Vergebung seiner Sünde und starb mit großer Ungeberde; auf eingesandten Bericht an das Oberkonsistorium kam der Befehl, ihn als einen Selbstmörder durch den Schinderknecht außerhalb des Gottesackers zu begraben. [Külz, S. 255]

 

Dohna 1718: 27. Mai, hat M. S. zu Zschieren auff seinen Boden sich erhenckt, weil er aber vorher sein weib und Kinder heissen weggehen, ist er von Scharffrichter abgenommen und auff den Zschirner werth eingescharret worden.

 

Reichenbach/V. 1728: 29. Juni, hat Meister Christian Paul, Bürger und Fleischhauer allhier, nachdem er einige Zeit vorher in Kleinmüthigkeit und Melancholie verfallen, sich in seiner Scheune auf-gehencket und entleibet. Auf höhere Anordnung sollte derselbe auf dem Gottesacker begraben werden, aber die Bürger setzten sich dem entgegen, der Sattler Schneider verwehrte das Begräbniß, mit dem Säbel vor dem Kirchthore stehend und mußte der Leichnam auf der Huthleihde verscharret werden.[Olischer, S. 93; Winkler, S. 244]

 

Reichenbach/OL. 1729: hatten die beiden Todtengräber einen Erhängten in aller Stille beerdigt. Deshalb wurden sie auf Antrag der Bürgerschaft von der Herrschaft entlassen, und von dieser Zeit an überließ die Herrschaft der Kommune die Anstellung der Todtengräber. [Richter, S. 138]

 

Stolpen 1737: 08. Okt., erhenckte sich Gottfried Richters allhier Eheweib, in der Stadt Frohnveste. Sie ward den 12. ej. aufm Schinderkarren hinaus gefahren, und unterm Galgen eingescharret. [Gercke, S. 436]

 

Eisenberg 1737: 22. Nov., erhenckt sich der alte Gänsehirte auf dem Boden unweit des Bettes … Sonntags darauf gegen Abend wird er durch den Schinderknecht auf den Schinderkarne nach dem Schindanger gebracht und daselbst eingescharrt. [Gschwend, S. 445f.]

 

Dippoldiswalde 1739: 28. März, erhängte sich der Vizeadjunkt des Amtmanns in Grillenburg, Welke, im väterlichen Hause zu Dippoldiswalde, am Tag darauf, dem Ostermorgen, der Schneidergeselle Johann Perle. Nach der rohen Sitte der Zeit wurde die Leiche des ersteren durch den Tagelöhner Ganßauge zum Fenster, die des anderen durch ein Loch im Dach herunter geworfen und beide verscharrt. [Knebel, S. 360]

 

Altenberg 1742: 26. Sept., gehet hiesigen Gerichts-Dieners Johann Christian Klemlars alte Mutter, so nebst ihrem Manne erst vor etlichen Wochen von Sayda hieher zu ihrem Sohne gezogen, in Raupenests Busch, und erhenckt sich an einem Fichtegen mit einer Heller-Schnure: wurde als eine Melancholica auf den Gottes-Acker begraben. [Meißner, S. 514]

 

Greußen 1750: 24. Juni, verkürzte Marthe Marie Weymar ihr Leben. Obschon der Befehl ertheilt worden war, daß diese Selbstmörderin vom Scharfrichterknechte abgeschnitten, auf den Karn geladen und auf den Schindanger begraben werden sollte, so wurde indessen von Hochfürstl. Regierung, auf vorheriges Bitten des Buders Johann Tobias Weymars, die Strafe dahin gemildert, daß die Selbstmörderin durch einen armen Mann abgeschnitten, in einen Sack gesteckt und auf den Rücken hinterm Gottesacker getragen, über die Mauer geworfen und an derselben begraben werden sollte.

 

Eisenberg 1751: hat sich Susanna Kötteritzschin selbst ums Leben gebracht. Es hat dieses Weib 2 Müller nach einander gehabt und sich endlich an einen Tagelöhner verheirathet … erhenckt sich an den Bettstollen. Den Körper wollte niemand losschneiden; muste also vom 4ten [Nov.], da die Tht geeschehen, bis auf den 7ten hangen, als endlich des Nachrichters Knecht es verrichtete, den Körper in einen Sarg legte und solchen vernagelte. Nun liese sich niemand finden, der den Sarg mit tragen helffen wollte; dahero wurde der Knecht gemü-siget, den Sarg wieder aufzumachen, die Erhenckte auf den Schinderkarn zu bringen und auf der Schindergrube in ein gemachtes Loch zu werfen. [Gschwend, S. 474f.]

 

... Daß aber der Scharfrichtere, wenn sie einen Selbst-Entleibten abschneiden, oder wegführen müssen, alles Geräthe, so weit ihr Schwerd gehet, vor sich hinweg nehmen dürfen, würde unter die unvernünftigen Gewohnheiten zu rechnen seyn. ... [Sammlungen zum Dorf- und Bauren-Rechte, Johann Gottlob Klingner, 3. Theil, Leipzig 1753, S. 795]

 

Bautzen 1756: 02. – 03. Jan., erhängte sich der Schloßfrohn Zipser [Sohn des Johann Balthasar Zipser, + 30.01.1733]. Er wurde von zwei Abdeckern abgeschnitten, in einen Sack gesteckt, über die Schloßmauer herabworfen in der Gegend der Schmole verscharrt. [Wilke, S. 597f.]

 

Radeberg 1756: 14. Mai, wurde Johann Adam Jähnichen, von Gräfenhayn [Gräfenhain], hier enthauptet und sein Körper durch des Scharfrichters Knecht außerhalb an der Gottesackermauer eingescharrt. Er hatte seine, durch ihn schwangere Geliebte, Eva Maria Kunath von Dort, mit ihrem eigenen Leibgürtel erdrosselt und den Leichnam sodann in den Dorf-bach geworfen. [Martius, S. 169]

 

Mühltroff 1756: 06. Dez., ersäuffte sich ein hiesiger Bürger und Loh-Gerber Johann Georg Oehler, indem er von seinem Krancken-Lager aufgestanden und in das vorbey fließende Fluß-Bette in der Vorstadt beym Bache sich gestürzet. Er wurde wegen darbey vorkommender Umstände, auf Erlaubniß der Superintendur, in der Stille an die Gottesacker-Mauer begraben. [Möbius, S. 157]

 

Im Jahre 1770 bestimmte ein landesherrliches Mandat, daß Selbstmörder ohne Sang und Klang innerhalb der Gottesackermauer zu beerdigen seien. Vordem verscharrten der Scharfrichter und seine Knechte solche Abgeschiedenen unter dem ragenden Galgen [Quelle: Gera]

 

1773: 26. Sept., Friedrich Augusts, Churfürst zu Sachsen, Mandat die Rettung der im Was-ser oder sonst verunglückten und für todt gehaltenen Personen betreffend, inbegriffen er-hängte Personen, welche durch Jeden – egal welchen Standes – aus dem Wasser zu ziehen und „von der Halsschlinge zu befreien“ sei. [Sammlung kön. Sächsischer Medicinal-Gesetze, Ludwig Cerutti / Carl Gottlob Kühn / Johann Christian Rosenmüller, Leipzig 1809, S. 243ff.]

 

Die obrigkeitlichen Maßnahmen gipfelten in einem Mandat vom 20. November 1779. Darin wurde Eheleuten, Verwandten und Vormündern von Selbstmördern Strafe angedroht, sollte es sich nachweisen lassen, dass sie ihre „Obsichtspflichten“ versäumt und Anzeichen für die drohende Selbsttötung übersehen hatten. Wer sich aus „Wahnwitz, Melancholie und Zerrüttung des Verstandes“ selbst entleibt habe, solle ein stilles Begräbnis erhalten. „Freventliche“ Selbstmörder, die nicht durch ihre Geistesverwirrung entschuldigt waren, sollten entweder auf Kosten vermögender Gönner „an einen abgesonderten Ort unter die Erde gebracht“, oder ihre Körper den medizinischen Fakultäten zur Verfügung gestellt werden. Eine solche Praxis ist noch für das späte 19. Jahrhundert bezeugt. Dieses für Kursachsen und das Königreich Sachsen umfangreichste Mandat in Sachen Suizid regelte das Verfahren bei Suizid nicht wirklich neu. Vielmehr ergänzte und erläuterte es bestehende Rechtsvorschriften. Noch 1868 erregte die nur langsam sich verflüchtigende Wirkmächtigkeit dieses Mandates Unmut bei sächsischen Pfarrern.

 

Dippoldiswalde 1781: 26. Mai, erhängte sich Wenzeslaus Schirmer aus Wut an einem Balken seiner Wohnung, nachdem er seiner Frau Wäsche und Kleidung zerschnitten hatte. Von 2 Schinderknechten wurde seine Leiche auf Stangen gebunden, fortgeschleppt und am Eingange des Bödchens verscharrt. [Knebel, S. 388]

 

Tharandt 1800: 01. April, entleibte sich der Wagnermstr. Naumann im Stössner’schen Hause „mittels einer selbst verfertigten Mordmaschine“. [Tharandt – Fritzsche, S. 96]

Dresden. In Tharand hat ein Stell- oder Rademacher, Namens Naumann, eine Guillotine verfertiget, und ein Probestück mit sich selbst gemacht, welches denn auch so gut gerathen ist, daß er bald aus der Zahl der Lebendigen befördert wurde. Sein verstümmelter Körper ist hier auf die Anatomie in den Kasernen gebracht worden. [Budissinsche wöchentl. Nachrichten, Nr. XV., 12. April 1800]

 

Glauchau 1817: 20. Nov., fand man den Leichnam des Handarbeiters J. Gottlieb Liebenroth, welcher seit 22 Wochen vermißt worden war, auf dem Heuboden der Schäferei, wo er sich erhängt hatte und fast ganz in Verwesung übergegangen war. [Eckardt, S. 613]

 

Großschönau 1836: kam im Juni, nach vorhergegangener Verordnung, die erste Leiche [Selbstmörder] … ans Bahrhäusel, welcher Fleck nun für alle Selbstmörder bestimmt wurde. Hatte man jedoch nun dieses erreicht, so wollte man es in demselben Jahre, 4 Monate später schon so weit haben, daß eine Frau, welche sich erhängt hatte, in die Reihe der „Gestorbenen“ kommen sollte. Man hatte auch richtig dort ein Grab gegraben und die Frau Abends eingesenkt; darüber entstand ein Auflauf in der Gemeinde, die Leiche wurde just wieder ausgegraben und am Bahrhäuschen beigesetzt. 1862 erst im Nobember wurde die erste Person von denen, die sich selbst ein Leids zugefügt, in die Reihen der eines gewöhnlichen Todes Gestorbenen gelegt. [Czischkowsky, S. 386]

 

1837: Vom 09. bis 15. September 1837 sind allhier in Leipzig begraben:

Mittwochs, den 13. September – Ein Mann 44 Jahre, Johann Gottlob Römer, Sergeant und Profos im ersten königl. sächs. Schützen-Bataillon, welcher sich am 11. d. M. vor dem Halle’schen Thore unweit des Partheflusses an einer Weide erhängt hatte; wohnhaft im Georgenhause. [Leipziger Tageblatt und Anzeiger, Nr. 260, Sonntag, den 17. September 1837]

 

 

Neugersdorf 1858: 09. Sept., früh 6 Uhr wurde der erste Selbstmörder zwar still, aber doch christlich zu Grabe [zu Seifhennersdorf] getragen. (Bis dahin hatte man die Selbstmörder am nördlichen Ende des Gersdorfer (s. Neugersdorf) Viebigs verscharrt.) [Geschichte von Seifhennersdorf, Otto Moritz Kind, Seifhennersdorf 1892, S. 53]